11. Dezember 2018: Dr. Thela Wernstedt sprach im Rahmen der Beratungen des Haushalts 2019 zum Thema Gleichstellungspolitik
Das Redemanuskript von Dr. Thela Wernstedt können Sie nachstehend lesen.
Rede der Landtagsabgeordneten Dr. Thela Wernstedt (SPD), 34. Plenarsitzung am 11. Dezember 2018 zu TOP 34: Haushaltsberatungen 2019 – Haushaltsschwerpunkt Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
- es gilt das gesprochene Wort –
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
Frauen sind, wie wir alle wissen, die Hälfte der niedersächsischen Bevölkerung. Damit sind alle politischen Themen auch Frauenthemen. Also wird in jeder Haushaltsrede auch über Frauen gesprochen.
So sind z.B. Gesundheitsfachberufe traditionelle Frauenberufe. Es wird zunehmend schwierig, junge Leute zu finden, die Physiotherapeutin oder Logopädin werden wollen, weil die Vergütung im Beruf später in der freien Beruflichkeit zu gering ist, weil es Tausende von Euro kostet, um überhaupt diesen Beruf erlernen zu können. Uwe Schwarz wird es gleich noch genauer ausführen: wir schaffen das Schulgeld ab. Damit leisten wir einen wesentlichen Beitrag, damit junge Frauen diese wunderbaren und für eine umfassende gute Gesundheitsversorgung notwendigen Berufe ohne Hürden lernen können.
Es gibt ein paar Themen, die als „Frauenthemen“ wahrgenommen werden. Dazu zählt Gewalt gegen Frauen und Mädchen, weil es leider immer noch überwiegend Frauen und Mädchen betrifft.
Im Haushalt für 2019 stellen wir für den weiteren Ausbau und barrierefreien Umbau von Frauenhäusern zusätzlich 1 Million Euro zur Verfügung.
Über die politische Liste erhalten Schutzwohnungen zusätzliches Geld. Im Sozialausschuss haben wir uns in diesem Jahr sehr ausführlich mit der Situation von Schutz- und Beratungseinrichtungen beschäftigt einschließlich einer Anhörung.
Als Koalition werden wir darauf hinarbeiten – ein entsprechender Entschließungsantrag befindet sich gerade in der internen Abstimmung - , dass sich die Einrichtungen im Sinne der Istanbul-Konventionzu einer Schutzkette weiterentwickeln. Prävention, Rechtsanspruch, Beratung, Unterbringung, Therapie und mehr sozialer Wohnungsbau sind Glieder einer Kette, bei der in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen präventiv und schützend gearbeitet wird. Es braucht mehr Zusammenarbeit, mehr Absprachen und eine Weiterentwicklung des Hilfesystems. Mit mehr Geld für einzelne Einrichtungen ist es auf Dauer nicht getan. Niedersachsen beteiligt sich an einem Projekt des Bundes, um die Bedarfe von gewaltbetroffenen Frauen zu ermitteln.
Traditionelle Rollenmuster, nach wie vor durch das deutsche Steuerrecht zementiert, und die darin befindliche Geschlechterhierarchie zu Ungunsten der Frauen stützen das Machtgefälle zwischen Männern und Frauen im Beruf, in der Öffentlichkeit und vor allem zuhause in den Familien.
Solange es in Familien wichtiger ist, einen Sohn zu bekommen, werden Mädchen benachteiligt. Ihre Bedürfnisse sind weniger wichtig, sie werden früher zur Arbeit angehalten, ihre Arbeit ist weniger wert, für ihre Ausbildung wird weniger gesorgt.
Diese Sichtweise ist Ausdruck eines Machtgefälles. Frauen bleiben in wirtschaftlicher Abhängigkeit, in Abhängigkeiten können sie weniger frei für sich und für ihre Kinder entscheiden. Viele Mädchen lernen immer noch früh in ihren Familien, dass sie weniger wert sind. Diese tief verankerten Sichtweisen sind die Grundlage für Gewalt gegen Mädchen und Frauen. Gewalt ist das letzte Mittel, um Herrschaftsverhältnisse zu sichern. Viel zu oft findet Gewalt in Beziehungen und Familien statt, wird an die Kinder als Mittel zum Zweck weitergegeben und kostet Frauen das Leben.
Unsere Verfassung aber schreibt vor, die Gleichstellung der Geschlechter zu verwirklichen.
Genderforschung beleuchtet und analysiert diese Verhältnisse, die Gleichstellungsbeauftragten in den Kommunen, Betrieben und Behörden sind Unterstützerinnen vor Ort. Vor diesem Hintergrund ist es mir vollkommen unverständlich, warum die FDP und die AfD Vorschläge machen, um gerade hier beträchtliche Summen im Landeshaushalt einsparen zu wollen und damit der Verfassung nicht gerecht werden. Sie wollen allen Ernstes Wissenschaft abschaffen, Projekte kürzen und professionelle Gleichstellungsbeauftragte schwächen, die sich um genau die von mir skizzierten Themen kümmern.
Wir wollen, dass Frauen aus ihrer Opferrolle kommen, dass sie in eigener Verantwortung für sich selbst und ihre Kinder sorgen und ein Leben ohne Gewalt leben. Dafür wird in diesem Haushalt zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt und weiter konzeptionell im Sinne einer Schutzkette zur Verwirklichung der Istanbul-Konvention gearbeitet.
An dieser Stelle möchte ich mich bei den gleichstellungspolitischen Sprecherinnen der anderen Fraktionen für die konstruktiven, kritischen und durchaus nicht immer einvernehmlichen Beratungen im Ausschuss bedanken.