14. Oktober 2021: Plenarrede zum Thema Frauen und Kinder vor Gewalt schützen
Rede der Landtagsabgeordneten Dr. Thela Wernstedt (SPD), 119. Plenarsitzung am 14. Oktober 2021 zu TOP 21:
„Doppelhaushalt 2022/2023: Frauen und Kinder besser vor Gewalt schützen – Aktionsprogramm zur Umsetzung der Istanbul-Konvention auflegen"
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drs. 18/10013
dazu: Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drs. 18/10051
- Erste Beratung -
Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
entgegen den Behauptungen im Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen hat Niedersachsen ein flächendeckendes und gut funktionierendes Netz aus Beratungsstellen, Krisen- und Schutzeinrichtungen für Frauen und Mädchen, die Opfer von Gewalt wurden.
Wie uns auch schon bei diversen Unterrichtungen im Sozialausschuss mitgeteilt wurde, stehen betroffenen Frauen in Niedersachsen 43 Frauenhäuser mit 400 Plätzen für Frauen und ca. 600 Plätzen für Kinder zur Verfügung, sowie 46 Gewaltberatungsstellen und 11 Beratungsstellen für Täterarbeit.
Die Empfehlung der Task Force des Europarates, auf 10.000 Einwohner einen Familienplatz vorsieht, ist keine absolute Vorschrift, sondern ist eine Orientierung, die sich am tatsächlichen Bedarf ausrichten sollte.
Wie ebenfalls in diversen Unterrichtungen zum Thema im Ausschuss deutlich geworden ist, ist die Auslastung der Frauenhäuser im Flächenland Niedersachsen regional sehr unterschiedlich. Eine Befragung von schutzsuchenden Frauen und Mitarbeiterinnen in Frauenhäusern in Niedersachsen, die im Sommer 2019 abgeschlossen wurde hat dies noch einmal bestätigt.
In Niedersachsen stehen täglich 40-50 Plätze leer. Von einer generellen Abweisung von gewaltbetroffenen Frauen kann daher nicht die Rede sein. Es kommt vor, dass einige Zeit gesucht werden muss, um einen Platz in Wohnortnähe zu finden. Dabei sind die Lebenslagen der Frauen sehr unterschiedlich. In den letzten Jahren wurde kontinuierlich besonders in Ballungsgebieten die Zahl der Frauenhausplätze einschließlich von Plätzen für Kinder ausgebaut.
Ich erinnere auch an die neu eingerichtete Schutzwohnung 24/7 in der Region Hannover, die von den betroffenen Frauen und Fachfrauen sehr gelobt wird als wichtiges ergänzendes Angebot für eine sofortige Aufnahme. Auch die den Mitarbeiterinnen in Frauenhäusern zugängliche Frauenhausampel als Information, wo wie viele Plätze frei sind, hilft sehr schneller ein angemessenes Angebot für die betroffenen Frauen zu finden. Durch ein Bundesinvestitionsprogramm haben die Frauenhäuser derzeit die Möglichkeit die Häuser zu renovieren und barrierefrei zu bauen.
Die gerade schon genannte Untersuchung, die im Sommer 2019 abgeschlossen wurde, diente als Evaluation des Landesaktionsplanes III zur Bekämpfung häuslicher Gewalt und dient der Weiterentwicklung des Schutz- und Beratungssystems im Sinne der Istanbul-Konvention. Die Grünen müssen die strukturierte Weitentwicklung dieses so wichtigen Schutz- und Hilfesystems nicht neu erfinden. Das alles läuft bereits.
Ich wollte hier nur einige Aspekte aus dem Entschließungsantrag herausgreifen.
Der gesamte Tenor des Entschließungsantrages stimmt nicht. Sie tun so, als gäbe es nur rudimentäre Hilfen und Schutz. Damit schüren Sie eher die Unsicherheit bei betroffenen Frauen und letztlich missachten Sie auch die schwere und wertvolle Arbeit so vieler Fachfrauen in den Frauenhäusern und Beratungsstellen.
Niedersachsen ist bereits jetzt gut ausgestellt mit seinem Schutz- und Hilfesystem für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen und arbeitet weiter an einer kontinuierlichen Verbesserung einschließlich eines bundesweiten Rechtsanspruches auf einen Platz im Frauenhaus. Es braucht viele weitere Anstrengungen, auch um Frauen in multiplen Problemlagen ein besseres Angebot machen zu können. Wir sollten uns aber von der Illusion verabschieden, dass wir alle schwierigen Lebenslagen mal eben so durch gute Beratung bereinigen können. Leider erweckt ihr Antrag diesen Eindruck.