13. Dezember 2022: Rede zur Aktuellen Stunde zum Thema Belastung der Kinderkliniken
Dr. Thela Wernstedt (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die ersten beiden Redebeiträge waren leider in einer schwierigen Situation tatsächlich klassischer Alarmismus. In dem letzten Redebeitrag, dem der Kollegin von der AfD, ist auch, was die politischen Ebenen und Verantwortlichkeiten betrifft, vieles durcheinandergegangen.
(Zuruf von der AfD: Ah ja!)
Da hilft es, wenn man mal ein bisschen sortiert.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Die aktuelle Situation gerade in der Pädiatrie ist nicht nur dadurch gekennzeichnet, dass wir alle eine Corona-Pandemie hinter uns haben, die uns allen auch noch in den Knochen steckt ‑ insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Krankenhäusern ‑, sondern auch durch ein sehr frühes Einsetzen der RSV-Epidemie, die jedes Jahr im Dezember auftritt.
Das RS-Virus befällt insbesondere Säuglinge und Kleinkinder. Es verursacht eine Erkrankung der unteren Atemwege, von leichten Symptomen bis zu sehr schweren Symptomen insbesondere bei vorerkrankten Kindern. Nachdem die Kinder ‑ wie auch die Erwachsenen ‑ in der Corona-Zeit über weite Strecken hinweg isoliert waren ‑ mit Abständen, mit Masken usw.; wir wissen das alles ‑,
(Zuruf von der AfD: Unnötig!)
gibt es jetzt einen Nachholeffekt, sodass insbesondere viele Kleinkinder, die sich aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen nicht im Säuglingsalter haben infizieren können, jetzt erkranken und es zu einer ausgesprochen hohen Welle der RS-Virus-Erkrankungen kommt.
Parallel haben wir eine erhöhte Infektionswelle auch bei den Erwachsenen, mit Influenzaviren, mit Erkältungsviren. Wir sprechen schon etliche Tage darüber, dass nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch in Schulen, in Kindertagesstätten und an anderen Arbeitsplätzen sehr viele Menschen fehlen. Das Robert Koch-Institut spricht in diesen Tagen von 10 Millionen erkrankten Bundesbürgern und ‑bürgerinnen, die weitgehend zu Hause bleiben, um ihre Erkrankungen auszukurieren. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Versorgung in den Kinderkliniken.
Wer hier anführt, dass die Zahl der Betten aus Kommerzgründen reduziert worden sei und dass deswegen Versorgung nicht mehr stattfinden könne, übersieht, dass es eine lang angelegte Strategie der Krankenkassen und der anderen wichtigen Gesundheitsplayer ist, Betten zu konzentrieren, um die Fallzahlen zu erhöhen. In dieser Diskussion, die schon lange geführt wird, stoßen natürlich Interessen aufeinander. Aber es ist nachgewiesen: Je mehr Fälle ein Krankenhausteam behandelt, umso besser ist das Behandlungsergebnis und umso weniger Komplikationen treten auf. Das gilt für Erwachsene, aber auch für Kinder.
Was wird zur Bewältigung der aktuellen Lage getan?
Derzeit ist die Bettenlage angespannt, aber es gibt immer noch freie Betten, es können immer noch Kinder aufgenommen werden. Die MHH musste in den vergangenen 14 Tagen in einem Fall ein Kind an eine andere Universitätsklinik, nach Magdeburg, verlegen. Es gab offenbar ein Zeitfenster, in dem auch die MHH an Kapazitätsgrenzen stieß. Kurze Zeit später konnte die MHH schon wieder Kinder von außen aufnehmen. Insofern kommt es situativ vor ‑ man kann es nicht komplett vermeiden ‑, dass Kinder verlegt werden müssen, aber das ist eher eine Seltenheit. Die MHH ist ansonsten eine Universitätsklinik, die beständig besonders schwer erkrankte Kinder aus anderen Krankenhäusern aufnimmt und gut versorgt.
Es wird auch innerhalb der Klinikverbünde gesprochen. Mir ist z. B. aus Hannover berichtet worden, dass man die Corona-Gesprächskanäle sozusagen reaktiviert hat, um die Situation an den Kinderkliniken stabil sicher halten zu können und wirklich jedes Kind und jeden Säugling so versorgen zu können, wie es und er es braucht.
Über irgendwelche Szenarien, dass man dann Erlöseinbrüche hat, ist noch nicht diskutiert worden. Wenn das tatsächlich der Fall sein sollte, muss man darüber reden. Aktuell ist das noch nicht der Fall.
Vonseiten der Kinderarztpraxen und natürlich auch der Kinderkliniken und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden im Moment größte Anstrengungen unternommen werden, um die Lage so zu halten, dass alle Kinder die nötige Versorgung bekommen, und das gelingt bislang auch.
Es gibt grundlegende Probleme in der DRG-Finanzierung der Pädiatrie. Die sind seit vielen Jahren bekannt. Hier kann man auch einmal zur CDU weisen und fragen, wer in den letzten 16 Jahren Bundesgesundheitsminister gestellt hat, die dieses Problem, das schon lange adressiert worden ist, hätten lösen können.
(Carina Hermann [CDU]: Wir reden vom Land, und Sie beschreiben seit vier Minuten den Zustand! Seit vier Minuten machen Sie eine Zustandsbeschreibung! - Weitere Zurufe von der CDU)
Herr Lauterbach als neuer Bundesgesundheitsminister hat vor ganz kurzer Zeit akute Hilfe für die Kinderkliniken auf den Weg gebracht, und er hat angekündigt, das DRG-System zu überarbeiten, u. a. wegen der Pädiatrie. Das ist aber ein so großes Rad,
(Sebastian Lechner [CDU]: Dass wir jetzt nichts machen können! Jaja!)
das will gut vorbereitet sein, das muss gut mit allen Beteiligten diskutiert werden, damit man da keinen Schnellschuss macht, denn schließlich geht es um das gesamte System.
(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Glocke der Präsidentin)
- Ich komme zum Schluss.
Alle Pflegenden und alle Ärzte in den Kinderkliniken verdienen im Moment unseren größten Respekt und unsere größte Aufmerksamkeit. Mit einem Bonus alleine ist es nicht getan. Alle profitieren mehr davon, wenn wir das System grundlegend anders aufstellen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN )